Texte

„Ans Licht…“

Ausstellung im Städtischen Museum Koenraad Bosman, Rees

10. September bis 05. November 2023

Ich möchte heute meiner Einführung in die Ausstellung ANS LICHT… mit neuen Arbeiten von Ulrike Int-Veen ein Zitat der Grafikerin Barbara Grosse aus dem Jahr 2018 voranstellen: „Da geht’s ja im Grunde um Freiheit. Dass man sich von dem, was man immer als Pflicht im Alltag hat, und die hat halt jeder, mehr oder weniger, dass man da ein Ventil hat, um Dinge in einer Form darzustellen, die nur von einem selbst gemacht werden kann und abhängig ist. Natürlich gibt es  Abhängigkeiten vom Material und so weiter… Aber am Ende geht es um die Freiheit.“

Um diese Art von Freiheit geht es auch in den Bildern der Dinslakener Künstlerin. Es ist eine Freiheit zu etwas, das heißt etwas selbstbestimmt zu tun. Der Begriff der Freiheit ist hier nicht zu verwechseln mit den Begriffen der Beliebigkeit und der Willkür. Es ist eine Freiheit, die uns allen offen steht. Und trotzdem fußt sie bei Ulrike Int-Veen auf bestimmten Voraussetzungen.

Die sind zum einen formaler Art. Das heißt, auch diese freien Setzungen des Pinsels und der Ölkreide verlangen auf der einen Seite der Vorbereitung und auf der anderen der bewussten Entscheidung. Die Vorbereitung bedeutet hier, dass Ulrike Int-Veen selber ihre Keilrahmen zusammensetzt, bespannt und den Stoff anschließend mit einem speziellen Kreidegrund grundiert. Der Malgrund ist so gestaltet, dass er mit  den  teils sehr  flüssigen  Farben gut harmoniert.  Ulrike Int-Veen greift also bewusst nicht auf vorgefertigte Produkte zurück, sondern hat sich ein eigenes Repertoire an Materialien entwickelt. Das umfasst auch die Farben, die sie aus Pigmenten und Acrylbinder zusammenmischt. Für die Arbeiten, die hier unter dem Titel ANS LICHT… versammelt sind, kommen noch die Partikel von Meeresbodensediment hinzu, die ihr Sohn von einer wissenschaftlichen Exkursion in der Tiefsee mitgebracht hat. Doch dazu später.

In einem nächsten Schritt entwickelt die Künstlerin Ulrike Int-Veen eine Komposition aus Flächen und Linien, die sehr unterschiedliche Gewichtung annehmen kann. Stets erzeugt sie jedoch aus dieser Kombination von zeichnerischen und malerischen Elementen eine Spannung auf der Bildoberfläche. Urike Int-Veen hat ihre eigene Bildsprache über Jahre entwickelt und diese immer wieder modifiziert. Wenn sie also mit der Arbeit an einem neuen Bild beginnt, so tut sie das auf der Grundlage ihrer Erfahrungen und gleichzeitig auch immer wieder mit neuen Ansätzen und Ideen. So sind es unterschiedliche Materialien, die bei der Malerin zusätzlich zum Einsatz kommen. War es vor ein paar Jahren Kohlenstaub, der zudem noch eine regionale Bedeutung hatte, ist es in den aktuellen Arbeiten Schlamm vom Meeresboden der Tiefsee.

Was zeichnet die Tiefsee aus? Zum einen, dass sie noch weitestgehend unerforscht ist. Zum anderen dringt kein Licht in diese Region. In der Dunkelheit existieren keine Pflanzen und kaum Tiere. Letztere sind in der Regel auch nicht farbig. Manche von ihnen haben eine eigene Lichtquelle, sogenannte Anglerfische. Das Sediment vom Meeresboden, das ich im Atelier von Ulrike Int-Veen unvermischt betrachten konnte, hat ein warmes, sehr dunkles Graubraun, das mal mehr, mal weniger auch Grünteile hat.

Die Idee, die sich auch hinter dem Titel ANS LICHT… verbirgt, ist es, diesen Schlamm aus der Tiefsee in unsere lichtdurchflutete Atmosphäre zu bringen, ihn erstmals dem Licht auszusetzen.

Schnell wurde offenbar, dass Bilder ausschließlich mit diesen dunklen Pigmenten zu sehr dem Naturell von Ulrike Int-Veen widersprachen. So hat sie sich dazu entschieden, diese nicht sehr farbenfrohen und dumpfen Partikel auf der Bildfläche mit leuchtenden Farben zu konfrontieren. Das heißt, kleine Mengen Meeresboden sind flankiert und umspült von leuchtenden Flächen in warmen Orangetönen, transparenten Fliederfarben, lichten Blau- und Grüntönen. Manchmal leuchtete uns auch eine zarte hellrosa Fläche entgegen. Überhaupt ist der Aspekt des Lichtes und des Leuchtens zentral im Werk von Ulrike Int-Veen. Um das Leuchten noch intensiver gestalten zu können, arbeitet sie in manchen Bildern mit ausgewiesenen Leuchtpigmenten. Diese Pigmente sind in der Lage mehr Licht abzustrahlen als sie empfangen, sie sind daher quasi ein Gegenspieler zu den lichtschluckenden Lichtpartikeln. Ein solches leuchtendes Bild findet sich zu Beginn der Ausstellung im Flur. Hier dominieren die rechteckigen, übereinandergeschichteten sich in der Bildmitte verdichtenden Flächen in strahlendem Pink, Rotorange und Abstufungen von Hellgrün, Blau und Rosa.

Immer ist aber auch viel Weiß im Spiel, sei es als Untergrund, sei es als Beimischung, um Farben aufzuhellen oder als eigene Setzung auf der Fläche. Auch Schwarz ist häufig anzutreffen, aber sparsamer und eher als Linie oder Struktur. Es gibt aber auch Bilder, die sich ausschließlich in dem Spektrum von Weiß und Braunschwarz bewegen (zwei dieser Bilder hängen hier an der Wand). Hier verwendet die Künstlerin als Ergänzung Asphalt-Graphit, das aufgrund der Mischung mit Terpentinöl zum Effekt des Abperlens von Farbe führt. Ulrike Int-Veen schätzt diesen besonderen Farbton des Asphalts, ein warmabschattiertes Braunschwarz. 

Nun stellt sich die Frage nach dem Bildmotiv. Oder sie stellt sich eben nicht, weil das Malen selbst, die Farbe und die Struktur die offensichtlichen Themen sind. Das bedeutet nicht, dass nicht auch Beobachtungen und Seherlebnisse von Licht- und Landschaftssituationen miteinfließen in die Entscheidungen während des Malprozesses. Und manchmal mögen sich auch beim Betrachter solche Assoziationen einstellen, aber diese sind nicht primäre angestrebt.

Es sind die Beziehungen der Flächen, die Interaktionen der Farben und die Bezeichnung durch die Linien, die ihre jeweiligen Aussagen selber generieren. Diese Form der Malerei hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg insbesondere in Europa unter dem Namen des Informel etabliert. Auch damals schon galt diese Form der Malerei als Befreiung. Als Befreiung von der restriktiven Kunstauffassung im Dritten Reich.

Zudem ist das, was Ulrike Int-Veen uns ab heute hier in dem lichtdurchfluteten Ausstellungsraum des Koenraad-Bosman-Museum zeigt, geeignet eine große Freude beim Betrachter, bei der Betrachterein zu erzeugen. An der Gruppe der Bilder, die den Titel ANS LICHT::: tragen, arbeitet Ulrike Int-Veen seit 2020. An der Stirnwand hängen, rechts das erste Bild dieser Serie und links das letzte. Mit ihrer farbintensiven Malerei erzeugt Ulrike Int-Veen eine eigene Welt, in die wir eingeladen sind, einzutauchen ohne dabei auf das Licht verzichten zu müssen.

Carla Gottwein

 

 

 

 

 

 

 

„ÜBER DEN DINGEN“
Ausstellung in der NISPA, Hauptstelle Wesel
16.03. – 27. 04.2018

„Ich komme von der Natur her“ – dieses Zitat hörten wir vor genau einem Jahr und würdigten hier in der NISPA die 2. Preisträgerin anläßlich des 1. Erna Suhrborg Preises. Auch für Ulrike Int-Veen (geb. 1956 Bottrop) gilt Erna Suhrborgs Motto. Der rote Faden durch diese Ausstellung „Über den Dingen“ stellt das stets immanenten Lebensthema dar: Die Natur als Zentrum der Kunst, die Natur als Sinnbild menschlichen Daseins. Impulse für ihre Malerei schöpft die Künstlerin einerseits aus der Wahrnehmung von Natur. Andererseits hat sich Ulrike Int-Veen stilistisch der abstrakten Malerei verschrieben und arbeitet somit in der Tradition des Informellen, der informellen Kunst, die sich seit den 50igern, den Nachkriegsjahren auch in Deutschland etablierte. Im Leben und in der Kunst – hier wie dort – prallen Schroffheit und Fragilität aufeinander. Das Spektrum der Möglichkeiten variiert zwischen Licht und Schatten, Bestehen und Vergehen, Bewahren und Erneuern. Ulrike Int-Veen ist Künstlerin und als Malpädagogin tätig. Seit 1999 hat sie ihr eigenes Atelier mit Kursangeboten in der Erwachsenenbildung. 2009 gründete sie das MAGENTA – Studio für Malerei mit dem sie seit 2016 in der Dinslakener Altstadt beheimatet ist.

Unser Auge reagiert auf Ulrike Int-Veens Bilder wie ein Perpetuum mobile: es ist nicht vom Sehen abzubringen. So könnten wir es auf den Punkt bringen. Es geht eine vitale, lebensfrohe, lebhafte und frische Wirkung auf den Betrachter über. Es sind die jüngsten, die neuesten Arbeiten der (niederrheinischen) Künstlerin, die ab heute rund 20 großformatige Bilder in der für sie typischen Mischtechnik präsentiert. Schon ein erster Blickkontakt versetzt unser Auge in einen Zustand höchster Aufmerksamkeit. Intensive, frische Farben tänzeln in pulsierenden Rhythmen über die Leinwand. Sie fordern uns zum Dialog heraus. Es sind lebhafte Kontraste, aber auch harmonische Farbklänge, die die sinnliche Wahrnehmung schärfen. Ulrike Int-Veen „… möchte die Farbe in Szene setzen“. Dies gelingt ihr m.E. auf bemerkenswerte Art und Weise. Ulrike Int-Veen deutet an, stellt nicht dar, gibt keine Realität wieder, bezieht sich nicht auf Konkretes. Bei Ulrike Int-Veen bedeutet ungegenständliches Malen auch nicht, wahllos irgendwelche Farben aufzutragen. Ihr künstlerisches Prinzip lautet: „Ein Bild ist ein farbiges Ganzes, das mehr ist als die Summe von verschiedenen Einzelfarben. Jede Farbe ist eine Welt für sich. Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit ist es, die Merkmale und spezifischen Eigenarten der Farben zu erleben. Der Zusammenklang der Farben, Farbdynamik und Farbe als Phänomen zwischen Hell und Dunkel werden in gegenstandsloser Malerei erarbeitet. Die Farbe wird sowohl zum Ausdrucksmittel als auch zum Motiv

FARBE ALS ZENTRALES MOTIV
In dieser Ausstellung „Über den Dingen“ lenken die zentralen, großformatigen Werke die Imagination der Betrachter. Die größten Bilder sind 230 x 210. Diese Formate verlangen einerseits Abstand, um im Gesamten erfasst zu werden. Um aber Farbverläufe, den Pinselduktus, die Maltechnik zu erfassen, benötigen wir den genauen Blick. Dieser erst ermöglicht uns das Wesen ihrer Malerei, die auf Transparenz und Dichte aufbaut, zu erfassen. In der Werkserie „Rosarium“ (Rosengarten oder auch Rosenkranz) wird etwa eine Sammlung von Interpretationen, Variationen eines Themas aufgegriffen. Die Rose, eine Kulturpflanze, die schon um 1500 v. Chr. in China und später in Kleinasien angebaut wurde, gehört zu den beliebtesten Gartenpflanzen, denn mit ihren verschiedenen Wuchsformen, Farben und Blütenformen sind sie vielfältig bei der Gartengestaltung einsetzbar. Die stachelige Rose kann aber auch eine anmutige Pflanze sein, die sich Verliebte schenken oder die als Grabschmuck dient. Rosé steht aber vor allem für: Rosa, für die Farbe, die Mischfarbe aus Weiß und Rot. Das reine, kräftige ROT nimmt in den Werken der „Granatapfelserie“ eine besondere Rolle ein. Der Granatapfel ist übrigens das Symbol der syrischen Göttin Atargatis. Ulrike Int-Veen ist von der Farbigkeit und der Beschaffenheit dieser paradiesischen Frucht fasziniert. Wir können diese Erfahrung sicher nur bedingt teilen: jeder, der schon einmal im Winter versucht hat diese verführerische Frucht zu öffnen, hat sein wahres Wunder beim Entkernen erlebt. Der Granatapfel kommt vorwiegend aus Vorderasien und wird seit geraumer Zeit auch in unsere Gefilde geliefert. Der Granatapfel gilt als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit, aber auch für Macht (Reichsapfel), Blut und Tod. In der christlichen Symbolsprache kann er für die Kirche – die Ekklesia stehen, als Gemeinschaft der Gläubigen. Der Granatapfel symbolisiert auch das Enthalten sein der Schöpfung in Gottes Hand. Er ist das Symbol des Priesterstandes, weil er in seiner harten Schale, die für die Askese des Priesterstandes steht und innerlich reiche Frucht trägt. Aufgrund dieser Symbolik taucht der Granatapfel in zahlreichen mittelalterlichen Tafelgemälden auf. Z. Bsp. bei Matthias Grünewalds 1517/1519 geschaffenen Stuppacher Madonna. Die Künstlerin Ulrike Int-Veen komponiert ihre Werke dimensionsreich. Helle Flächen sind nicht unbearbeitet, es handelt sich nicht um rohe, unbehandelte Leinwand. Treten sie bitte gleich näher heran, dann werden sie die unter der hellen Schicht liegenden Farben durchschimmern sehen. Die Bilder strahlen und die Farbklänge kombinieren mehrere Farben, die uns bei gleicher Helligkeit und Farbqualität in einer definierten Beziehung zueinander erscheinen. Diese Farbklänge wirken harmonisch und kontrastreich zugleich. Ulrike Int-Veen beherrscht diese optimale Farbklang-Kombination ebenso wie die raffiniert versteckte Verbindung von Farbe. Die Verbindung von ein oder zwei Grundfarben und ihren Abstufungen, die sich gegenseitig steigern, erzielt stets gezielt ihre Wirkung. Ich darf Ihnen Ulrike Int-Veen als Meisterin dieses subtilen Nuancenreichtums vorstellen.

Einige Bildtitel wirken ganz sicher auf uns verwirrend: etwa „…die leichten, leckenden…“ oder „–Nur unsere Körper…“. Diese Bilder und die Titel sind durch die Auseinandersetzung mit dem lyrischen Werk von Marion Poschmanns entstanden. Als Literaturkenner wird man dies u.U. entdecken. Es sind für unvoreingenommene Betrachter aber vor allem offensichtlich spielerische Wortbrücken, die uns anleiten, die uns auch weiterführen, die unseren Horizont vielleicht erweitern. Das Gedicht „Lehmkürbis – ein Schmuckstück“ zählt zum Beispiel zu den poetischen Werken, die Einfluss auf die Malerei unserer heutigen Protagonistin genommen hat. Darüber hinaus benennt Ulrike Int-Veen den „Abstrakten Expressionismus“ zu ihrem Vorbild. Dieser war zunächst ein reiner „Männerverein“, der die Malerei der amerikanischen 50/60 prägte. Helen Frankenthaler, Lee Krassner und Joan Mitchell gingen in die Kunstgeschichte ein. Helen Frankenthaler avancierte sogar zur Exponentin der Generation, zur Ältesten des „color field painting“, der Farbfeldmalerei. Als abstrakt-expressionistisch wurden in den USA aber zuerst Werke des russischen Malers Wassily Kandinsky bezeichnet und zwar von Alfred H. Barr, dem ersten Direktor des New Yorker Museum of Modern Art. Maler der europäischen Avantgarde, die während des Zweiten Weltkriegs nach New York emigriert waren, darunter Max Ernst, Marcel Duchamp, Marc Chagall, Yves Tanguy, Piet Mondrian sowie 1947 in einem mehrmonatigen Aufenthalt auch Joan Miró, belebten bei amerikanischen Künstlern das Interesse für abstrakte Malerei und bereiteten den Boden für den Triumph der abstrakten Malerei. III. SCHLUSS Abschließend stellen wir fest, dass heute Ulrike Int-Veen zu Recht der Titel „Meisterin des Subtilen im Großformat“ verliehen werden könnte, denn die Vielschichtigkeit ihrer abstrakten Malerei fasziniert durch Tiefgründigkeit und Authentizität. Ihre Sicht verbindet sich mit den aus der Natur entlehnten Formen: Amorphes, Strukturiertes, Festes, Fließendes; Labyrinthe bündeln Energien und erzeugen einen Sog der Kräfte, die allen Bildern nahezu körperlich präsent sind. Das geistig-intellektuelle verbindet sich mit dem sinnlich-natürlichen. Sie hat eine persönliche Handschrift entwickelt und mit ihren großformatigen Werken setzt sie künstlerische Akzente, die in unserer Region einmalig sind und ihresgleichen suchen. Mit ihren Kenntnissen über Farbe, mit ihrem Farbwissen gestaltet Ulrike Int-Veen ausdrucksstarke Bilder, die überzeugend zeigen, dass die Welt mehr ist als die Welt der Dinge, die wir konkret sehen und auch benennen können. Der Betrachter wird auf seinem Weg bildräumlich und gedanklich von der Oberfläche in die Tiefe geführt. Vieles in den Werken bleibt im Verborgenen, spricht dennoch bei aller Verschlüsselung.
So erweist sich die Malerei in eine andere Welt zu transportieren, deren Realität nicht nur eine künstliche, sondern auch und vor allem eine künstlerische ist. Ich wünsche uns viel Spaß beim Betrachten und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Claudia Bongers
M. A. Kunsthistorikerin

QUINTA ESSENTIA

Ausstellung im Städtisches Museum Kalkar

21.11.2010 bis 02.01.2011

„Quinta Essentia“ ist ein Begriff aus dem Lateinischen und bedeutete soviel wie das „fünfte Seiende“. In der Griechischen Philosophie wurde so ein „fünftes“ Element neben den vieren Erde, Luft, Feuer, Wasser beschrieben. Dieses „fünfte Element“  galt als Ursache und Ursprung der vier anderen. Der Begriff spielt bei den mittelalterlichen Alchemisten eine große Rolle. Hier wandelt er sich aber von einem eher ideellen Bergriff zu einem materialistischen: Mit der „Quinta Essentia“ versuchen sie Gold herzustellen. In der sprachlich eher bekannten Variante der „Quintessenz“ beschreibt er „das Wesentliche, das Hauptsächlichste“.

Die Ausstellung „Quinta Essentia“ ist für Ulrike Int-Veen der Abschluss einer über zwei jährigen Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet. Eine Auseinandersetzung und künstlerische Reflexion über Materialien und Werkstoffe, die in der Geschichte des Ruhrgebiets von wesentlicher Bedeutung sind. Das sind Eisen, Glimmer, Kohle, Sand und Erz. Diese Materialien der traditionellen Schwerindustrie stehen im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. In über zwei Jahren sind zahlreichen Bilder entstanden, von denen sie heute eine kleine Auswahl sehen.

Die Malerei von Ulrike Int-Veen ist eine sehr spontane Malerei. In ihr treten Linien und Flächen in einen immer neuen Dialog. Zu Linien und Flächen kommen bei diesen Arbeiten die besonderen Eigenschaften der hier genutzten technischen Materialien.

Ulrike Int-Veens Malerei ist eine Malerei, die in verschiedenen Schichten entsteht. Hier werden frühere Arbeitsgänge wieder zugedeckt, so dass sie nur noch schemenhaft erscheinen oder fast zufällig wieder auftauchen. Sie sind zugleich immer Ansporn und Dialog im weiteren Arbeiten.

Da gibt es sehr flächige Passagen von lavierend, durchsichtiger Farbe bis zu pastos aufgetragener, fast schon reliefhafter Farbe oder diesen „anderen“ Materialien. Um diese Flächen spinnen sich immer wieder gestische Linien, die ganz aus dem Schwung der Bewegung entstehen. Sie werden mit Kreiden oder Pinsel gezogen. Die Linien können die Flächen umschreiben oder auch verbinden. Sie durchlaufen sie oder kontrastieren sie. Oder sie können ganz eigene Formen bilden. Es sind sehr expressive Linien, die zugleich immer etwas sehr fließendes, fast flüchtiges haben. Die Flächen wirken hingegen im Kontrast dazu eher wie Ruhepole.

Und hier setzt auch die Aneignung dieser fast alltäglichen, profanen Materialien ein.  Sie werden aus ihrem ursprünglichen Produktionsprozess herausgelöst und werden zum künstlerischen Material. Sie liefern die materiellen Eigenschaften, mit denen Ulrike Int-Veen dann arbeitet. Sie haben ihre ganz eigene Struktur und Farbe, ihre ganz eigene materielle Gesetzmäßigkeiten.

Schauen Sie sich diese Bilder einmal ganz non Nahen an. Schauen Sie ganz genau auf die Oberfläche der Bilder, sehen wir ganz raue Stellen, die aufgeworfen sind. Aber zugleich auch Stellen von einer ganz ungeheueren Leuchtkraft und Glanz. Oder von einer ganz eigenen Struktur, die den üblichen malerischen sonst eher fremd sind.

Diese Materialität, die Linien, die Flächen und die Farben schaffen in ihren Bildern eine ganz eigene Räumlichkeit. Einige der Bilder lassen vielleicht zwar noch landschaftliche Assoziationen zu, die Bilder sind aber in erster Linie Dokumente des Arbeitsprozesses. Hier sind oft fast inselartige Gebilde auf den sonst leeren Malgrund gesetzt. Sie beschreiben meist ein eher sehr labiles Gleichgewicht. Es ist ein dauerndes Hin- und Her, ein Sog in einen bildnerischen Tiefenraum, der immer wieder von scheinbar aus den Bildern drängenden Farben konfrontiert wird. Diese räumliche Unbestimmtheit hält die Bilder in einer dauernden Bewegung, ohne das sie eigentlich unruhig wirken. Denn es ist diese doch sehr  harmonischen Farbigkeit, die mögliche Bewegungen immer wieder bremst. In der Auseinandersetzung mit diesen industriellen Materialien bekommen Ulrike Int-Veens Bilder auch etwas sehr haptisches. Man möchte bestimmte Strukturen im Bild auch mal gerne anfassen. Diese Materialien verleihen den Arbeiten von Ulrike Int-Veen eine ganz eigene Plastizität neben der räumlichen Wirkung von Farben und Linien.

Ulrike Int-Veens Bilder leben ganz aus diesen Spannungen zwischen den  unterschiedlichen Elemente Linien, Farbe, Form und Materialität. Es sind sehr offene Kompositionen von einer ungeheueren Leichtigkeit. Ulrike Int-Veen reflektiert mit ihren Bildern die Geschichte des Ruhrgebiets. Nicht das sie die üblichen Geschichten von Bergleuten und Zechen erzählt, sondern sich eher auf die Stoffe konzentriert, die stellvertretend für den industriellen Aufstieg des Ruhrgebiets stehen und deren Ausbeutung letztlich auch zum industriellen Niedergang des Ruhrgebietes führten.

Während der „Kulturhauptstadt“ im Ruhrgebeit sit viel von einem Strukturwandel die Rede. In diese Bildern hat – für mich  – dieser Strukturwandel längst stattgefunden:  Aus industriellen Materialien wurde Kunst. Und was will man mehr?

© Dr. Falko Herlemann,   Herne

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